Smart Packaging: Von der Verpackungslösung zum digitalen Multitalent

News | 21.09.2018

Schon vor mehr als 10.000 Jahren hatten Menschen das Bedürfnis, ihre Lebensmittel zu schützen. Wir haben diesen Instinkt seither gut befriedigt. Nur die Art und Weise, wie wir Lebensmittel verpacken, hat sich grundlegend verändert. Materialien wie Wellpappe oder Kunststoffe lösten Leder und Wolle ab. Aktuell entwickeln sich Verpackungslösungen erneut weiter. Und rundherum wird die gesamte Wertschöpfungskette smart: Im Idealfall organisieren sich Lebensmittel, Maschinen und Verpackungen selbst, indem sie untereinander kommunizieren. Doch wie funktionieren digitale Prozesse? Und welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf eine intelligente Verpackung?

Automatisierte Logistik und Produktion sind Innovationstreiber

Automatisierte Logistik und Produktion waren Innovationstreiber

Die Logistik bringt die richtigen Produkte, zur richtigen Zeit an den richtigen Ort. Das ist gut, aber das ist nicht digital. Doch erkannte man dort bereits vor Jahren erste Ansätze zur vierten industriellen Revolution: automatisierte Lagerlogistik mit Echtzeitsensorik oder intelligente Logistikprozesse per RFID-Transpondern an Paletten sind längst verfügbar. Im Mittelpunkt von Industrie 4.0, also der Digitalisierung, steht ebenso häufig die Produktion. Auch da sind digitalisierte Lösungen keine Seltenheit mehr. Michael Weber, Leiter Corporate Marketing bei Thimm, informiert dazu: „Seit 2013 haben wir in unserem Duisburger Werk eine vollautomatisierte Roboterfertigung für Palettenbehälter. Bis zu eine Million Stück produzieren unsere Roboter dort im Jahr. Solche Behälter werden häufig zum Transport von schweren Autoteilen oder Industriegütern genutzt. Sie bestehen aus verbundenen Verpackungsteilen. Dabei bildet eine Holzpalette die Grundfläche. Eine Faltkiste, ein Ring und ein Deckel aus Wellpappe werden von den Robotern an der Palette befestigt. Der Ring ist übrigens das tragende Element und kann je nach Anforderung und Traglast aus verschiedenen Wellpappen bestehen. Unsere Produktionssteuerung erfolgt auf Echtzeitbasis. Die Palettenbehälter werden von unseren Robotern konfektioniert und direkt über interne Transportwagen an unsere Kunden AUDI AG und Logistiker Schnellecke übergeben. Dadurch reduzieren wir Transportwege auf ein Minimum. Das spart Zeit und Kosten. Eine noch schnellere Lieferung als unser Tor-an-Tor-Konzept ist nicht möglich und garantiert eine taktgenaue Bereitsstellung der verschiedenen Palettenbehälter. Das ist einmalig in der Automobilindustrie.”

Sind Logistik oder Produktion jetzt digital? Ausschließlich in einem Bereich der Wertschöpfungskette erreicht man keine individuellen Massenprodukte oder lückenlose Transparenz vom Lieferanten bis zum Kunden. Und damit auch keine Digitalisierung. Dazu müssen alle vor- und nachgelagerten Bereiche miteinander vernetzt sein. Dann könnte beispielsweise die Logistik vorgeben, wann welche Produkte richtig sind und in welchem Einzelhandel sie benötigt werden. Neben vollautomatisierter Produktion und Lagerhaltung, die sich selbst steuern und einer intelligenten Warenlogistik würde es dann immer volle Handelsregale geben. Doch dazu sind digitale intelligente Verpackungen erforderlich.

Vernetzte Verpackungen, Maschinen und Prozesse im Digitaldruck

Ein digitaler Treiber in der Verpackungsindustrie ist der Digitaldruck. Weber freut sich über die Vorteile des Fertigungsverfahrens: „Im Handel gibt es immer kürzere Produktlebenszyklen mit einer zunehmenden Vielfalt. Dazu passend fordern Hersteller eine individualisierte oder personalisierte Verpackung. Heutzutage ist das schon möglich. In der Thimm Gruppe bieten wir seit vielen Jahren den Digitaldruck an. In 2017 haben wir zusätzlich eine neue digitale Rollendruckmaschine am Standort Ilsenburg in Betrieb genommen. Diese produziert großflächigen Digitaldruck für Verpackungen bis 2,80 Meter Arbeitsbreite. Für unsere Kunden können wir dadurch ein nie dagewesenes Maß an Individualisierung und Digitalisierung erreichen.”

Was bedeuten diese Mehrwerte für Lebensmittellieferanten? Heute muss kein Mensch mehr Lebensmittel in einem Fellbeutel schützen, lagern oder transportieren. Jagen und Sammeln sind nur noch Hobby. Es gibt Unternehmen, die fertige Mahlzeiten in weltweite Haushalte liefern. Eines davon ist HelloFresh. Das 2011 gegründete Unternehmen liefert Kochboxen mit Lebensmitteln und erkannte für sich die Vorteile von digital bedruckten Verpackungen. Nils Herrmann, Vice President Operations bei HelloFresh Deutschland, über die Zusammenarbeit mit Thimm: „Durch den deutschlandweit einzigartigen Digitaldruck und den Einsatz von lebensmittelunbedenklicher Farbe waren wir in der Gestaltung der Verpackung sehr frei und konnten damit das Boxdesign noch individueller und genau nach unseren Wünschen gestalten. Das Feedback unserer Kunden auf die HelloFresh Grillbox ist sehr positiv – sowohl bezüglich des Inhalts als auch der ansprechenden Verpackung.“
Thimm druckte für HelloFresh die zeitlich begrenzten Lebensmittelboxen zur Grill- und Weihnachtszeit. Bedingt durch diese kurzen Lebenszyklen und damit verbundene geringe Auflagen, ist der Digitaldruck deutlich wirtschaflticher als herkömmliche Druckprozesse. Denn die Vorkosten entfallen komplett und man kann sich flexibel dem Bestellverhalten der Onlinekunden anpassen.

Digitaldruck für Smart Packaging

Der Digitaldruck ist jedoch nur eine Komponente der Digitalisierung. Weber erläutert: „Die Digitaldruckmaschine an sich ist analog. Eine Maschine kann eben nur eine Maschine sein. Digital sind die Prozesse ringsum. Sowohl beim Kunden, als auch bei uns. In der Testphase konnten wir digitalbedruckte Papierrollen nur analog verarbeiten. Der Speicher unserer Weiterverarbeitungsmaschinen erfasste ausschließlich bis zu zehn Aufträge. Mehr waren bis dato nie notwendig. Hier aktivierten wir unser Netzwerk aus Maschinenherstellern, Lieferanten und Partnern, um die Prozesse umzustellen. Denn in einer zunehmend vernetzten Industrie werden Wertschöpfungsketten komplexer. Daher müssen immer alle Beteiligten eingebunden werden. Ein weiteres Erfahrungsbeispiel? Verpackungskonstruktionen und Artworks liegen immer in digitaler Form vor. Wenn solche digitalen Daten manuell an die Produktionsverarbeitung gegeben werden, ist das auch nicht digital. Dadurch wäre der Datenverarbeitungsprozess genauso lang, wie beim analogen Druck. Alle Möglichkeiten des Digitaldrucks lassen sich nur ausspielen, wenn die zugehörigen Prozesse auch digital sind!”

Verpackung THIMM

One more thing – digitale Verpackungslösungen können sicher noch mehr?!

Michael Weber informiert über Smart Packaging: „Die Anforderungen des Handels haben sich maßiv verändert. Mit der Einführung des Smartphones wurde die Welt online und offline vereint. Der Einkauf muss nun zum Erlebnis werden. Diese Veränderung sieht man an den Käufergruppen: Heavy-Online-Shopper und Retail-Only-Shopper sind stark rückläufig. Hybrid-Shopper erobern den Markt. Kunden informieren sich online und kaufen im stationären Handel. Oder umgekehrt. Auch der Informationsbedarf von Menschen steigt stetig. Zur Befriedigung gibt es digitale Verpackungslösungen, die Mikrochips oder elektronische Codes beinhalten. Per Smartphone oder Tablet können Informationen kinderleicht ausgelesen werden. Oft redet man dabei von programmierbaren RFID-Chips, die an Verpackungen aufgebracht werden. Solche Hardware ist heute überflüssig, denn die Elektronik ist bereits ein Teil der Verpackung. Man kann Elektronik drucken! Dazu werden leitfähige Komponenten wie Silberpartikel verwendet. Solche gedruckte Elektronik kann den Konsumenten viele Zusatzinformationen beispielsweise über Inhaltsstoffe oder Herkunft von Lebensmitteln liefern. Dadurch sind Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten auf der sicheren Seite.”

Augmented Reality mit Verpackungen

Eine weitere digitale Lösung liefern App-basierte Codes auf Verpackungen und Displays. „Auch App-basierte Codes können mit vorhandener Hardware ausgelesen werden”, beschreibt Weber. „Sie sind nach dem Drucken erstmal blind. Je nach Ziel, kann eine App den Code lebendig machen und Kochrezepte anzeigen oder über die nächste Kochbox-Aktion informieren. Eine individuelle Zahlenfolge auf einer Verpackung wäre ein einfacher App-basierter Code. Und der ist oft möglich, ohne das Druckbild zu verändern. Für den Kunden wäre das eine 3-in-1-Lösung: Nachverfolgbarkeit, Sicherheitsmerkmal und Interaktionsmöglichkeit. Da jeder Code nur einmal verfügbar ist, ist der Originalitätsschutz gegeben. Lückenloses Track-and-Trace von Lieferketten in Echtzeit ist durch Codes möglich und wird heute bereits in vielen Branchen eingesetzt. Alternativ reagieren Sensoren auf Umweltreize. Temperatursensoren verfolgen beispielsweise den Kühlprozess in einer Verpackung während des Transports. Damit können Lebensmittelhersteller die Einhaltung der Kühlkette nachweisen und wir Konsumenten können durch die digitale Kommunikation mit der Verpackung schon vor dem Auspacken überprüfen, ob die Lebensmittel noch genießbar sind.”

Erweiterte Realität mit digitalen Lösungen

Ein nächster Schritt, um reale und virtuelle Welt zu verbinden, heißt Augmented Reality. Große Unternehmen wie BMW, Ikea und Lufthansa nutzen die digitale Technologie bereits. Und es gibt kaum Grenzen des Möglichen: Amerikanische User der Amazon App können Möbelstücke vor dem Kauf virtuell in ihr eigenes Wohnzimmer stellen. Mit der Hermes Paketversand App können Versender die Versandkosten per Augmented Reality ermitteln und direkt den Paketschein erstellen. Ohne Maßband oder Zollstock – leichter geht es kaum. Auch Augmented Reality funktioniert über Smartphones oder Tablets. Diese kleinen Leistungsmaschinen ermöglichen eine schnelle Erkennung von Markern. Dazu scannt die Kamera die reale Welt und ergänzt diese in Echtzeit um virtuelle Objekte. Quasi eine erweiterte Realität.

„Mit Augmented Reality lösen Unternehmen immer wieder emotionale Erlebnisse aus”, führt Weber aus. „Bei Thimm nutzen wir Augmented Reality für das digitale Prototyping. Dazu projezieren wir komplexe Displayaufsteller oder Verpackungen in die Kundenumgebung. Unser Außendienstkollege packt sein Tablet aus und stellt die neue Konstruktion virtuell in den Meetingraum. Begeisterung pur - unsere Kunden lieben das. Per App können unsere Kunden ihre digitalen Verpackungslösungen virtuell in den Einzelhandel zaubern. Oder sie testen die Druckbilder digital, ohne dass dafür irgendwelche Farben verschwendet werden. Ganz nebenbei sparen wir dadurch auch noch Zeit und Materialien. Die Musterfertigung und kostenintensive sowie zeitraubende Transportwege entfallen. Das freut nicht nur unsere Kunden, sondern schont auch noch die Umwelt.”

Die erweiterte Realität der menschlichen Wahrnehmung durch Augmented Reality lässt sich mit Virtual Reality noch steigern. Dadurch wird die reale Welt beispielsweise durch eine Virtual-Reality-Brille komplett ausgeschlossen. Thimm nutzt diese Technologie für Wartungen der Digitaldruckmaschinen. Weber informiert dazu: „Die Servicetechniker unseres Maschinenherstellers HP sitzen in Amerika. Unsere Maschinen stehen in Europa. Um Ausfallzeiten bei Wartungen zu minimieren, nutzen unsere Produktionsmitarbeiter eine Virtual-Reality-Brille. Dadurch können die Servicetechniker von HP unsere Maschinen live sehen. In der Brille selbst werden unseren Mitarbeitern die zu erledigenden Arbeitsschritte angezeigt. Beispielsweise, welches Teil aus dem Lager entnommen und an welcher Stelle in der Maschine eingebaut werden muss. Eine enorme Zeitersparnis für uns und damit auch für unsere Kunden!”
 

Verpackungen als kommunizierende Multitalente

In einer vollständig vernetzten Welt werden Verpackungen, die mit Kunden kommunizieren, völlig normal sein. Sie bilden eine Brücke der physischen und der digitalen Welt zwischen Unternehmen, Handel und Kunden über digitale Kanäle. Wenn die Verpackungen nicht mit den Kunden interagieren, werden Kinder mit ihren Smartphones durch den Supermarkt laufen und sagen: „Mama, die Verpackung ist kaputt.”
Jedoch stehen wir in der Verpackungsindustrie noch am Anfang der Digitalisierung. Die Intelligenz von Verpackungen wird sich aus den Kommunikationsmöglichkeiten mit der Außenwelt ergeben. Denn: Erst wenn alle Prozesse miteinander vernetzt sind und die vorletzte Box aus dem Lager autonom eine neue Kartonproduktion anstößt, die wiederum neue Rohstoffe bestellt und weitere Supply-Chain-Bereiche aktiviert, sprechen wir von Digitalisierung. Weber bemerkt abschließend: „Wir müssen mutig sein, neue Wege gehen und dabei Grenzen überschreiten. Erst mit den Rückschlüssen daraus, sehen wir, was noch alles möglich ist.”

THIMM im packReport 09/2018

packReport Sonderdruck zu Smart Packaging
Smart Packaging 1.33 MB

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Denise Hoffmann

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